04/08 Neuanfang in Hannover und Erkenntnisse aus der kunstpädagogischen Arbeit

1994 zog ich mit meinem Sohn aus.
Unsere Sachen passten in ein kleines Auto. Bilder und Staffelei holte ich später. Ich hatte keine Ahnung, wie es weitergehen sollte.

Durch einen lieben Freund, der später mein wunderbarer Mann werden sollte, fand ich für ein halbes Jahr eine Unterkunft in einer typischen Hochhaussiedlung in Hannover.
Ich war froh, eine Bleibe gefunden zu haben: Wer nimmt schon gern eine mittellose, alleinerziehende Künstlerin aus dem Osten auf.
Und doch, aus der Idylle der Mecklenburger Landschaft kommend, ein gnadenloser Kulturschock: Wir kamen uns vor, als lebten wir im Ausland und mussten uns erst einmal zurechtfinden. Für meinen Sohn und mich eine große Herausforderung.

Ich erlebte die Hannoveraner Kunstszene als sehr elitär und voreingenommen.
Zwar stellte ich noch einmal in der Industrie- und Handelskammer in Hannover aus, aber das war vorerst die letzte Ausstellungsbeteiligung.

Mein künstlerisches Schaffen änderte sich. Es entstanden große Meeresbilder, die Ausdruck innerer Seelenlandschaften waren. Zu diesen gehören zum Beispiel „Meditation“, „Meer am Abend“, „Hell und Dunkel“, „das Abendmahl“ oder „Keiner sieht es“.

Obwohl die erste Zeit in der neuen Heimat nicht einfach war, hatte ich doch das Gefühl, dass es die richtige Entscheidung war. Immer wieder entstanden neue Möglichkeiten und ich konnte so viel Geld verdienen, dass ich uns über Wasser halten konnte.
Dass ich in diesen Jahren meinen jetzigen Ehemann kennenlernen durfte, ist eine der glücklichsten Fügungen.
Es gibt kaum einen Menschen, der mit so viel Liebe, Geduld und unerschütterlichen Vertrauen mich und meine Fähigkeiten begleitet und alle meine schöpferischen Projekte vorurteilslos und umfänglich unterstützt.
Und dass nun schon seit fast dreißig Jahren lang. Dafür bin ich ihm sehr dankbar.

Wir lebten zwei Jahre in Hannover und zogen dann auf ein kleines Dorf bei Hameln. Wir heirateten und bald kamen unsere Tochter und unser Sohn zur Welt.
Da mir mein Mann finanziell den Rücken freihielt, konnte ich mich ganz entspannt unseren drei Kindern widmen.
Ich hatte mir immer gewünscht, ohne den Druck, Geldverdienen zu müssen, für die Familie da sein zu können. Das genoss ich jetzt in vollen Zügen.

Trotzdem blieb noch Zeit für meine künstlerischen Arbeiten. Nur die Prioritäten hatten sich verschoben.
In dieser Zeit entstanden viele großformatige Ölbilder. Hell, farbintensiv mit einer leichteren Formensprache, so löste ich mich allmählich von den dunklen, schweren, manchmal düsteren und schwermütigen Arbeiten aus der Mecklenburger Zeit.
Ein neues Selbstverständnis für die Schönheit und Leichtigkeit des Seins dämmerte herauf, zum Beispiel in „großes Wiesenstück“, „Aufbruch“, „Am Morgen“, „Berührung“ und „großes Lilienstillleben“.

Zusätzlich bildete ich mich weiter. Ich absolvierte eine Ausbildung zum psychotherapeutischen Heilpraktiker, Gesundheitsberater und später im Bereich Naturpädagogik.
So arbeitete ich viele Jahre als Dozentin in der Kinder- und Erwachsenbildung. Vor allem die Arbeit mit psychisch instabilen Menschen zeigte mir auf, wie wichtig die Rückverbindung mit der Natur und ihren ordnenden Kräften für die Stabilisierung unserer Psyche ist.

Ich begann mit meinen Kursteilnehmern sehr viel draußen zu arbeiten. In der Natur kann sich schöpferisches Sein mühelos entfalten, ist Natur doch schöpferische Entfaltung.
In ihr und mit ihr zu arbeiten, ordnet, macht uns wach, lebendig und im tiefsten Sinne zufrieden.